Korea / Japan 2002
Der vollzogene wie verhinderte Triumpfzug
des schematischen Standardfussballs
oder:
Wie das kompakte Mittelfeld sich selbst
auffrass...
Was kann man von ehemaligen
Verteidigern (Kloppern) schon erwarten. Ein Fussballfeuerwerk bestimmt
nicht. Und so propagierten auch die die es gekonnt hätten, bei dieser
Fussballweltmeisterschaft biederen Schemafussball.
Peinlich, wie Italiener
und Spanier den laufstarken, doch letztlich gemessen am Weltniveau der
Zidanes, Aimars, Rauls, Del Pieros recht biederen Gastgeber, mit einer
Defensivstrategie beizukommen, im Falle der Spanier dann das Spiel mit
Standardsituationen und Kopfbällen zu gewinnen.
Gelobt wurden zwei defensive
Viererketten mit der 'der starke Angriff der Koreaner effektiv gelähmt
worden' sei.
Absurd - die Spieler der
angeblich besten Liga der Welt kneifen den Schwanz ein vor einem offenen
Schlagabtausch, obwohl in allen Spielen zuvor offensichtlich geworden war,
das die Abwehr der Koreaner alles andere als sicher war, konnte das kompakte
Mittelfeld erst einmal überspielt werden. Sogar 9 Portugiesen spielten
locker Chancen gegen die Asiaten heraus, als sie denn endlich aber zu spät
begriffen, dass sie mussten.
Die deutschen Fans in kollektiver
Glanzleistung redeten sich vier Tage den Sieg über Brasilien ein
Die Brasilianer, die ausser
der einmaligen Gabe, ihre Spiele mit der zauberhaften Qualität ihrer
Superstars zu entscheiden, machten ihren gegnerischen Zuschauern auch noch
das seltene Geschenk, fast allen Gegner die Illusion zu belassen, gegen
Brasilien ein tolles, ja ihr bestes Spiel gemacht zu haben.
Dies lag an der brasilianischen
Spielweise, eine Art Fussball die auf die moderne Fussballlehre, der neuen
Bibel vom kompakten Mittelfeld pfiff, ihre Stürmer vorne stehen liess
und die Spiele im direkten Vergleich eigene Angreifer gegen Verteidiger
= mehr Tore und eigene Abwehrspieler gegen gegnerische Angreifer
= weniger Tore entschied.
Ob rückständig
oder supermodern ist eine akademische Frage, die eng mit dem Wechselspiel
von Taktik und Kontext verknüpft ist.
Nicht alle zollten dem brasilianischen
Vertrauen auf den 'Moment der Superstars' Applaus: Johann Cruyff wollte
ob des brasilianischen Verzichts auf Dominanz und Ballbesitz gar brasilianischen
'Anti-Fussball' gesehen haben, hatte er aber noch knapp 10 Jahre zuvor
just den Stil des AC Milan als solchen bezeichnet.
Nun, der holländische
Stil war es nicht, der die Brasilianer zum Titel brachte, das ist wahr...
Trainer wollen Kontrolle
haben über das passiert, vor allem wenn sie eine gute Mannschaft betreuen,
die gegen eine wenige gute spielt.
Am besten nur Situation
mit gröstmöglicher Kontrolle zulassen, Standardsituationen oder
zumindest standardisierte. Und dann hinten keinen Fehler machen und vorne
mit dem einen Kopfball, der einen Chance das Spiel entscheiden (die grössere
Qualität der eigenen Spieler).
Das Rezept: bei ausgeglichenem
Spiel, gewinnt die Mannschaft die den einen Fehler der anderen besser ausnutzt,
weil sie eine höhere Qualität an Spielern hat.
So gewann Trappatoni schon
eine Meisterschaft mit Bayern München - und verlor 2.
Denn Angst ist kein guter
Ratgeber: Lässt man nämlich ein Shoot-out zu, ein Spiel mit 9:9
Torchancen, sollte man das Spiel eben auch gewinnen, dank der besseren
Qualität der Spieler.
Ein Indiz: Das 5:2 der Brasilianer
gegen Costa Rica, ein beidseitiges Fussballfeuerwerk mit einem klaren Sieger
trotz gleicher Spiel- und Chancenanteile.
Es kann nämlich sein
(wir sind zurück bei der italienischen Mauer gegen das so übbermächtige
Korea), dass Panucci einen Fehler macht, und der Koreaner doch noch ins
Tor schiesst. Es kann sein das Vieri aus drei Metern doch drüber zielt
oder der Linienrichter sich irrt, wenn plötzlich das ganze Spiel nur
noch auf eine einzige Situation ankommt.
Die Angsthasen Camacho
und Trapattoni sind fein raus, denn in einem auf wenige Situationen reduzierten
Spiel, finden sich immer Sündenböcke stellvertretend für
den positiven oder negativen Ablauf eben jener Schlüsselszene.
Und so werden sie weiter
wurschteln und uns auch 2004 mit langweiligem Fussball ärgern, stellvertretend
für die angeblich besten Ligen der Welt bei einer WM, die von 3 Spielern
gewonnen wurde, die vorne stehenblieben um dort etwas besonderes zu machen
anstatt nach hinten zu rennen um dem neuen und schon wieder veralteten
Fussballgott dem 'kompakten Mittelfeld' zu dienen, denn der dient mittlerweile
auch den 'Kleinen'.
(ein weiteres Lehrbeispiel
von Taktik und Kontext)
Die Angst vor dem Zufall
treibt den Kontrollfetischisten zu einer grotesken Fehlannahme: er hofft
den Zufall ausschalten zu können. Bei einem Spiel wie Fussball absurd.
Ganz im Gegenteil: Die Anzahl
solcher Situationen muss durch eine überlegene Mannschaft erhöht
werden, denn nur dann spielt der einzelne Zufall eine kleinere Rolle und
die Mehrzahl der Zufälle wird sich zwangsläufig auf die überlegene
Mannschaft verteilen.
Wenn also Mannschaften wie
Italien und Spanien einer Mannschaft wie Korea anbieten, die Zahl der Zufallssituationen
zu minimieren, bieten sie damit auch die Möglichkeit an, das ein einziger
Zufall über den Ausgang entscheiden kann.
Das Optimum für einen
Aussenseiter...
Auch die Portugiesen hatten
es nicht begriffen und spielten trotz der Erfahrungen aus dem USA Spiel
auch gegen Korea nur in den letzten 20 Minuten mit 9 gegen 11 Powerangriffsfussball,
das was ihre Stärke ist. Trotz der Unterzahl waren sie sofort Toren
näher als die Koreaner, doch 70 Minuten zuvor hatten sie herumtaktiert
und abgewartet, mit angezogener Handbremse begonnen, jetzt war es zu spät
und reichte nur noch zu unglücklich vergebenen Grosschancen.
Die Türken zeigten
im Spiel um den dritten Platz, dass ein Shoot-Out mit den Koreanern viel
eher zu gewinnen war, als das inzwischen fast alberne Gebalge um das kompakteste
Mittelfeld.
Denn da vor allem (neben
einer fast unbemerkten Flexibilität) lag die Stärke der Gastgeber,
nur hier konnten sie mit ihren intensiven Laufaufwand das Spiel kontrollieren.
Die Vieris, Hakans, Morientes waren doch der nicht unanfälligen koreanischen
Abwehr viel klarer überlegen als umgekehrt die koreanischen Stürmer:
der Gastgeber erzielte ganze 7 Tore in 7 Spielen.
Eine Niederlage der inzwischen
fast standardisierten Schule des Fussballdenkens, deswegen, auch war Deutschland
im Finale, nicht Spanien, nicht Italien.
Diese beiden können
sich jetzt beschweren, doch eigentlich hätten sie schon in den Runden
zuvor für ihre Taktiken bezahlen müssen (auch Spanien, als man
spätestens mit der Auswechselung von Morientes den Iren das Spiel
schenkte).
Da waren sie noch einmal
davongekommen, im Fall von Italien nicht mal aus eigener Kraft.
Als sie Vorreiter waren,
die ersten mit kompaktem Mittelfeld, da konnten sie ihre Gegner dominieren.
Doch diese lernten schnell
das Spiel mit dem Platz zwischen den Strafräumen, das von so ganz
anderen Fähigkeiten abhängt als das Spiel eines Ronaldinho, welches
man eben nicht imitieren kann.
Und so wurden sie gefressen,
die Erfinder des kompakten omnipräsenten Mittelfelds. Gefressen von
ihren Eleven, die Franzosen von den Senegalesen, die Italiener von den
Koreanern, die Argentinier reihten sich auch ein, obwohl sie vor allem
daran scheiterten, dass sie 10 Mann Abwehrmauern nur zweimal überwinden
konnten.
Gefressen von ihrem eigenen
kompakten Mittelfeld im neuen Kontext. Dem Kontext des kompakten Gegners...
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